Pennsylvania: Schlüsselstaat für die US-Präsidentschaftswahl
Als die Menge „USA, USA“-Rufe anstimmt, wird es Jenny ein bisschen zu viel. Die pensionierte Lehrerin verzieht das Gesicht. „Das ist doch komisch, wir klingen ja wie die Republikaner.“ Tatsächlich wollen die Zuhörer in der Freedom Highschool in Bethlehem, einer 80.000-Einwohner-Stadt im Lehigh Valley in Pennsylvania, mit den Parolen die propalästinensischen Zwischenrufer übertönen. Immer wieder versuchen vereinzelte Störer, den Redner auf der Bühne zu unterbrechen – und stets ist die Menge bereit, das nicht zuzulassen.
Auch der Redner selbst, der demokratische Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz, ist sichtlich nicht gewillt, an diesem Ort und an diesem Tag auf den Protest der Israelkritiker einzugehen. Weniger als sieben Wochen vor der Wahl ist die Zeit zu wertvoll, und hier in Northampton County, einem der umkämpftesten Bezirke im womöglich entscheidenden Bundesstaat, darf nichts von dem Ziel ablenken.
Die Bedeutung von Pennsylvania als Swing State
Das Ziel lautet: Pennsylvania muss den Demokraten zum Sieg verhelfen. Der Bundesstaat mit seinen vielen Wählern aus der Arbeiterschicht gilt als Inbegriff eines Swing State. 2016 gewann der Republikaner Donald Trump hier knapp gegen Hillary Clinton. Vier Jahre später sicherte sich der Demokrat Joe Biden die Präsidentschaft, indem er in dem „Keystone State“ 80.000 mehr Stimmen holte als Trump – bei insgesamt dort rund sieben Millionen abgegebenen Stimmen.
Und auch in diesem Jahr gilt: Wer Pennsylvania am 5. November gewinnt und sich die 19 Wahlleutestimmen sichert – mehr als in jedem anderen Swing State –, hat beste Chancen, ins Weiße Haus einzuziehen. Doch ein Blick auf die jüngsten Umfragen zeigt, dass Harris hier nur knapp vor oder gleichauf mit Trump liegt – trotz des messbaren Stimmungswandels, den der Wechsel von Biden zu ihr auslöste.
839,5 Millionen Dollar haben die Harris-Kampagne und verbündete Organisationen bereits für Werbung ausgegeben. Das nervenaufreibende Kopf-an-Kopf-Rennen erklärt auch die Summen, die hier aufgewendet werden – mehr als in jedem anderen Bundesstaat. Von den 839,5 Millionen Dollar, die die Harris-Kampagne und verbündete Organisationen bereits für Werbung ausgegeben oder zugesagt haben, sind 164,1 Millionen Dollar in diesen Staat mit seinen 13 Millionen Einwohnern geflossen. Die weniger gut ausgestattete Trump-Kampagne hat 135,7 Millionen Dollar von 458,8 Millionen Dollar in Pennsylvania investiert – die Wähler in diesem Bundesstaat müssen sich taub und blind geben, um den TV- und Radio-Spots oder den Werbevideos auf YouTube zu entgehen.
Der Wahlkampf in Pennsylvania
Im Wahlkampf-Endspurt setzen beide Parteien auf zahlreiche Auftritte ihrer Spitzenkandidaten. Am vergangenen Wochenende kam es dadurch zu einer Art Fern-Duell der beiden Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten, Tim Walz und JD Vance. Trumps Erbe? Der republikanische US-Vizepräsidentschaftskandidat JD Vance bei einem Auftritt in Leesport, Pennsylvania. Walz, der handfeste Gouverneur von Minnesota, vor allem aber ehemalige High-School-Lehrer und Fußballtrainer, soll die Wähler aus der Arbeiterschicht mobilisieren, die der schwarzen Vizepräsidentin aus dem linken Kalifornien wenig abgewinnen können. Vance, Senator aus Ohio und als Erklärer des vernachlässigten Amerikas bekanntgewordener Bestseller-Autor, soll diese wiederum ins Trump-Lager ziehen.
Die Auftritte von Walz in Bethlehem und von Vance auf einem Messegelände im rund 70 Kilometer entfernten Leesport in Berks County konnten ehrgeizige Wähler hintereinander besuchen. Auf dem Papier müssten das tatsächlich einige tun, gibt es den Statistiken zufolge in Pennsylvania doch immer noch rund drei Prozent Unentschlossene, die angeblich wählen wollen, aber noch nicht wissen, für wen.
Gut besucht sind beide Events: Mehrere hundert verfolgen Vances 45-minütigen Auftritt im Freien, und mehr als 2000 den von Walz zwei Stunden zuvor. Dass Letzterer in der Sporthalle der Freedom Highschool, in der sonst unter anderem die Football-Spieler der „Patriots“ trainieren, spricht, klingt nicht nach Zufall. Dazu passen die Worte „Freiheit“ und „Patrioten“ zu gut zur Wahlkampf-Strategie der Demokraten, bestimmte Begriffe und Themenfelder wieder von den Republikanern zurückzuerob…