Digitale Herausforderungen für Senioren in Berlin: Strategien und Lösungen
Bankfilialen schließen, Arzttermine gibt’s oft nur per App. Für viele Senioren wird der Alltag in Berlin immer komplizierter. Wie selbstständig können ältere Menschen noch ohne Internet leben? Von Roberto Jurkschat
Am 30. Oktober hat das Festnetztelefon bei Helga Krüger sehr häufig geklingelt: Freunde haben an sie gedacht, Angehörige gratuliert. Einen Glückwunsch bekam Helga Krüger zu ihrem 85. Geburtstag allerdings mit der Post. Eine Karte, unterschrieben vom Spandauer Bezirksbürgermeister Frank Bewig von der CDU. „Ne schöne Glückwunschkarte, na immerhin“, erinnert sich die Berlinerin.
In dem Brief steckte auch eine Broschüre: Anlaufstellen für ältere Menschen, die im Alltag Hilfe brauchen – Hilfe bei den Ämtern zum Beispiel, oder bei Pflege- und Wohnungsangelegenheiten. Zu solchen Beratungsstellen hingehen musste Helga Krüger bisher noch nicht, Anrufe waren auch nicht nötig. Das liegt vor allem daran, dass sie für solche Fälle eine andere Telefonnummer hat. „Mein Sohn hilft mir bei solchen Sachen.“
### Einkaufsschwierigkeiten für Senioren in ländlichen Gebieten
In der Großstadt ist der Einkauf meist kein Problem. Auf dem Land sieht das schon anders aus. Wer nicht fit ist und kein Auto hat, kommt oft schwer zur nächsten Einkaufsmöglichkeit. In Rheinsberg organisieren Ehrenamtler einen Einkaufsservice. Von Björn Haase-Wendt
### Offline-Quote bei Senioren in Berlin
Während viele jüngere Menschen problemlos Online-Überweisungen tätigen, Arzt-Termine per App vereinbaren und Zugtickets über die Bahn-Website kaufen, fühlt sich Helga Krüger oft von der Technik abgehängt. Statistisch gesehen gehört sie zu einem relativ großen Anteil älterer Menschen, die offline sind. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass der Anteil der „Offliner“ mit zunehmendem Alter größer wird – in der Gruppe der 65- bis 74-Jährigen liegt er schon bei 15 Prozent.
### Verschwinden analoger Angebote
Seit Jahren schrumpfen analoge Angebote, Schalter für Fahrkarten werden abgeschafft, Bankfilialen schließen. Telefonnummern, mit denen Anrufer direkt zu einer persönlichen Beratung durchkommen, werden durch KI-Chatbots und Bandansagen ersetzt. Die Herausforderungen für Senioren in einer zunehmend digitalen Welt werden immer deutlicher.
Die beiden Geldautomaten, an denen Helga Krüger in Spandau immer Bargeld abgehoben hat, sind jetzt weg. Einer wurde dreimal gesprengt, die Postbank ließ ihn abbauen. Die Postbankfiliale, zu der die Seniorin im Moment noch gehen kann, wird auch bald verschwinden. Die Postbank plant, etwa die Hälfte ihrer Filialen in Berlin zu schließen, um sich zu einer „Mobile-First“-Bank zu entwickeln.
### Lösungsansätze für die digitale Kluft
Um älteren Menschen den Zugang zur digitalen Welt zu erleichtern, hat das Seniorennetz Berlin der AWO digitale und analoge Angebote aufgebaut. Eine Online-Plattform bündelt Freizeit-, Kultur- und Bildungsangebote speziell für Senioren. „Info-Boxen“ in Bibliotheken unterstützen Menschen ohne eigene Geräte oder digitale Vorkenntnisse. Tablet-Workshops in AWO-Digital-Cafés erklären Senioren, wie digitale Geräte und das Internet funktionieren.
### Forderungen nach mehr Unterstützung für Senioren
Gunnar Krüger, der Sohn von Helga Krüger, kritisiert, dass viele Einrichtungen und Unternehmen die Bedürfnisse älterer Menschen ignorieren. Er betont die Bedeutung von seniorengerechten Apps, persönlichen Ansprachen und leicht verständlichen digitalen Geräten. Es ist wichtig, dass ältere Menschen nicht in der fortschreitenden Digitalisierung zurückgelassen werden.
### Ausblick auf die Zukunft
Die digitale Kluft zwischen den Generationen wird immer deutlicher. Während einige Senioren aktiv Unterstützung bei der digitalen Teilhabe suchen, fühlen sich andere überfordert und ausgeschlossen. Es ist entscheidend, dass sowohl digitale als auch analoge Angebote für ältere Menschen erhalten bleiben, um allen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen.
### Schlussgedanken von Helga Krüger
Helga Krüger zeigt Verständnis für ältere Menschen, die sich nicht mehr intensiv mit der digitalen Welt auseinandersetzen möchten. Trotzdem betont sie die Wichtigkeit von erhaltenen analogen Strukturen und persönlichem Austausch. Sie hofft, dass die Belange älterer Menschen in der digitalen Gesellschaft mehr Beachtung finden und dass weiterhin Unterstützung für alle zur Verfügung steht.