Reste nach dem Ereignis: Eine Handvoll Teile übrig geblieben
Eine Rakete verglüht am Nachthimmel. Der Absturz aus dem Weltall war unkontrollierbar – und stellte dennoch kein großes Risiko dar, sagt Holger Krag, Leiter des Space Debris Office der Europäischen Weltraumorganisation (Esa). Bei der Esa beschäftigt er sich mit Weltraumschrott und den Auswirkungen von Weltraumobjekten, die in die Erdatmosphäre eintreten. Zu viel Weltraumschrott stürzt gar nicht erst ab, betont er.
Am frühen Mittwochmorgen war über Polen, Brandenburg und Berlin bis nach Niedersachsen ein Feuerschweif am Nachthimmel zu sehen. Eine Raketenstufe war in die Atmosphäre gestürzt und dabei verbrannt. Sind solche Ereignisse denn reines Schauspiel, oder schlägt da tatsächlich etwas auf der Erde ein? „Da kommt dann auch etwas am Boden an. Das muss man sich so vorstellen, diese Weltraumobjekte kommen mit einer Geschwindigkeit von 28.000 Kilometer pro Stunde mehr in die Atmosphäre hinein und unterhalb von etwa 100 Kilometern fängt der Zerstörungsprozess an,“ erklärt Holger Krag.
Was schmilzt weg und was bleibt übrig? Diese Strukturen bestehen größtenteils aus Aluminium, einem Metall mit einem relativ niedrigen Schmelzpunkt. Während Aluminium beim Wiedereintritt verschwindet, bleiben Bauteile aus druck- und hitzefestem Material wie Titan oder Edelstahl zurück. Diese Bauteile, wie Tanks oder Düsen von Raketen, sind üblicherweise das, was am Boden aufzufinden ist. Der Prozess beim Wiedereintritt ist noch nicht vollständig erforscht, und es gibt viele offene Fragen bezüglich der Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.
Wenn das Objekt über ausreichend starke Triebwerke verfügt, ist ein kontrollierter Wiedereintritt möglich. Ein solcher Wiedereintritt wird durch einen starken Schubimpuls eingeleitet, der die Umlaufbahn des Objekts von einem Kreis zu einer Ellipse verändert. Dies ermöglicht es, das Objekt gezielt auf einen sicheren Punkt auf der Erde abzubremsen. Unkontrollierte Wiedereintritte können jedoch Monate oder Jahre dauern und sind schwer vorherzusagen.
Die Raketenstufe, die am Mittwochmorgen verglüht ist, war nicht steuerbar. Dennoch hatte die US-Organisation Aerospace einen Zeitpunkt für den Wiedereintritt vorhergesagt und mögliche Orte für den Einschlag aufgezeigt. Diese Vorhersagen sind wichtig, um örtliche Behörden über mögliche Gefahren zu informieren. „Abstürze in die Erdatmosphäre sind keine Seltenheit, jedoch stellen sie normalerweise keine große Gefahr dar. Bei dem Ereignis vom Mittwoch sind vielleicht eine Handvoll Teile übrig geblieben. Es ist für Sie persönlich in etwa so wahrscheinlich, wie zweimal hintereinander einen Blitzeinschlag abzubekommen,“ erklärt Krag.
Insgesamt befinden sich rund 39.000 menschengemachte Objekte im All, darunter Satelliten, Trümmerstücke und Raketenstufen. Mit der zunehmenden Nutzung des Weltraums und der steigenden Anzahl von Satelliten wird auch die Problematik des Weltraumschrotts immer relevanter. Es ist daher wichtig, dass Objekte, die nicht mehr genutzt werden, kontrolliert entsorgt werden können. „Wir wollen solche toten Objekte nicht dulden. Deshalb arbeiten wir gerade an einer Spezialmission: Wir wollen einen gestrandeten Satelliten nachträglich entsorgen,“ betont Holger Krag.
Die Raumfahrt erlebt derzeit eine Revolution, mit immer mehr Satelliten im Orbit. Dies führt zu einer Zunahme der Wiedereintritte, jedoch gleicht es sich insgesamt aus. Früher war Weltraumschrott ein viel höheres Risiko, da jährlich 500 Tonnen unkontrolliert auf die Erde zurückfielen. „Wir erleben gerade eine Revolution und fangen gerade erst an, den Raum zu nutzen,“ erklärt Krag.
Die Erforschung und Überwachung von Weltraumschrott ist von entscheidender Bedeutung, um die Sicherheit im Weltraum zu gewährleisten. Es ist wichtig, dass die Raumfahrtindustrie Maßnahmen ergreift, um die Menge an Weltraumschrott zu reduzieren und kontrollierte Wiedereintritte zu ermöglichen. Durch internationale Zusammenarbeit und politische Maßnahmen kann das Problem des Weltraumschrotts effektiv angegangen werden.
Das Interview mit Holger Krag bietet einen Einblick in die Herausforderungen und Risiken im Umgang mit Weltraumschrott und den Auswirkungen von unkontrollierten Wiedereintritten. Es verdeutlicht die Bedeutung von präventiven Maßnahmen und globaler Zusammenarbeit, um die Sicherheit im Weltraum zu gewährleisten und die Umwelt zu schützen.