Berlin. Im Jahr 1978 wurde der Film „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ regelrecht zerrissen. Nun wird er in der Filmreihe der Berliner Morgenpost einer kritischen Revision unterzogen.
Der Besetzungscoup des Jahres war unbestreitbar. Ein Film über das Berlin der vermeintlich Goldenen Zwanziger, vor Ort gedreht, mit einer internationalen Besetzung. Die Hauptrolle spielte der Popstar David Bowie, der zu dieser Zeit tatsächlich in Berlin, genauer gesagt in Schöneberg, lebte und dort seine berühmte Berliner Trilogie mit den Alben „Low“, „Heroes“ und „Lodger“ aufnahm. Auch die legendäre Marlene Dietrich, eine Ur-Berlinerin, gab mit 77 Jahren nach 15 Jahren Leinwandabstinenz ein Comeback. Hinzu kamen Weltstars wie Maria Schell, Curd Jürgens, Kim Novak und Sydne Rome. Der Film „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ sollte 1978 zu einem Pop-Happening werden, ganz im Stil von „Cabaret“, der 1972 eine Welle von Historienfilmen auslöste und die Mode der 20er Jahre wiederbelebte.
Nach dem Debakel zog sich Marlene Dietrich endgültig in ihr selbstgewähltes Exil in ihrer Pariser Wohnung zurück. Ihre kurzen Szenen im Film wurden jedoch in dem Kultbuch „Alte Frauen in schlechten Filmen“ lustvoll aufgenommen. Es wurde behauptet, dass sie alt waren und das Geld brauchten.
Eine Revision des Films gestaltet sich schwierig, da es nur eine alte DVD mit der gekürzten Version gibt. Dennoch darf dieser Film in der Filmreihe „Hauptrolle Berlin“ der Berliner Morgenpost nicht fehlen.
David Bowie spielt den tragischen Antihelden Paul Ambrosisus von Przygosdki, der sich nach schwerer Verwundung und Amnesie im Berlin der Zwanziger zurechtfinden muss. Eine Welt, die er nicht mehr versteht, in der auch seine eigene Familie und Bekannte sich in den unsicheren Zeiten irgendwie durchschlagen müssen. Der Film zeigt ein schräges Gesellschaftspanorama der Weimarer Republik, in dem die Figuren versuchen, sich auf ihre eigene Art und Weise zu behaupten.
Es war die zweite Filmrolle für David Bowie, der auch hier wie ein Außerirdischer durch eine Welt wandelt, die er nicht begreift. Marlene Dietrich spielt die mysteriöse Baronin von Sanderling, die ein eigenes Regiment von Gigolos führt. Der Film zeigt eine bissige Moritat auf den Untergang der ersten Republik, die heute wieder aktuell erscheint.
Regie führte David Hemmings, der auch die Rolle des finsteren Nazi-Verführers Kraft übernahm. Der Film zeigt ein Zeit-Bild, in dem das preußische Obrigkeitsdenken nie ganz verschwunden ist und die Nazis langsam salonfähig werden. Hemmings schwankt zwischen historischem Drama und satirischer Überzeichnung, schafft jedoch eine eindringliche Darstellung jener Zeit.
Marlene Dietrich erhielt 250.000 Dollar für nur zwei halbe Drehtage, in denen sie unbeweglich und von einem Schleier verborgen agierte. Trotz Kritik an ihrer Erscheinung, sang sie am Ende den Titelsong des Films, was zu einem bewegenden Abschied führte. Das Filmteam war gerührt von ihrer Performance, insbesondere wegen ihres brüchigen Timbres, als sie die Zeile „Youth will pass away“ sang.
Der Film „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ mag zwar als Flop gestartet sein, aber seine Bedeutung und Kraft werden in der heutigen Zeit neu bewertet. Durch die einzigartige Besetzung, die bissige Darstellung der Weimarer Republik und die eindringliche Atmosphäre, verdient der Film eine kritische Revision und Anerkennung für seine künstlerischen Qualitäten.