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Die FDP tut so, als ginge es in diesen Stunden nicht ums Ganze, SPD und Grüne bangen derweil um den Fortbestand der Koalition – und die Opposition hält die Ampel-Regierung für gescheitert. Am Dienstag gingen die offiziellen Einschätzungen in Regierung und Opposition über den Zustand der Koalition weit auseinander. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach am Dienstagnachmittag von „Kindereien“ und bezeichnete den FDP-Wirtschaftsgipfel der vergangenen Woche als „albern“. Die Auseinandersetzungen könnten allerdings äußerst ernste Konsequenzen haben. In FDP-Kreisen wird nach Tagesspiegel-Informationen fest damit gerechnet, dass Christian Lindner die Koalition bald platzen lässt, möglicherweise noch in dieser Woche. Eine Überraschung wäre für viele Insider mittlerweile eher, wenn es doch noch anders käme – zum Beispiel, weil SPD und Grünen den Liberalen so weit entgegenkommen, dass die einen Koalitionsbruch in unsicheren Zeiten schlicht nicht mehr vertreten könnten.

Vizekanzler Robert Habeck zog aber am Dienstag auf der Tagesspiegel-Konferenz „Future Sustainability Week“ eine rote Linie. Mit Blick auf das Grundsatzpapier von Christian Lindner, das das Regierungsbündnis seit Freitag in Aufruhr versetzt, sagte er: „Die Lösung wird sicherlich nicht auf der Basis des Papiers erfolgen können.“ Zwei Prinzipien seien nämlich nicht berücksichtigt: die soziale Gerechtigkeit als Kriterium für Handelsmaßgaben sowie der Klimaschutz. Die Rede ist von einer „Provokation“.

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte am Dienstag am Rande eines Treffens mit dem somalischen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud, er halte eine Einigung noch für möglich. „Was die Situation betrifft der weiteren Arbeit der Regierung geht es darum, dass man sich dem Land verpflichtet fühlt, dass es nicht um Ideologie geht“, sagte der Scholz. „Und klar ist, es ginge. Insofern ist die Frage nicht, ob man es überhaupt hinkriegen kann, sondern es ist möglich, und da müssen jetzt alle arbeiten.“

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sprach sich ebenfalls für eine Fortsetzung aus: „Wir wollen in dieser Koalition Verantwortung übernehmen“, betonte sie und verwies auf die Herausforderungen durch die US-Wahlen, die Wirtschaftsflaute und den Klimaschutz. „All das ist ein Auftrag, was hinzukriegen. Und all das ist kein Auftrag dafür wegzulaufen.“ Jetzt sei nicht die Zeit, „sich gegenseitig mit den radikalsten Vorschlägen zu überbieten“, kritisierte Dröge mit Blick auf die FDP. Das jüngste Positionspapier des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner sei eine Provokation, für die sie kein Verständnis habe.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr plädiert indes für einen „echten Richtungswechsel“. CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderten ein schnelles Ende der Ampel-Koalition angesichts der internationalen Auswirkungen der US-Wahl. Dobrindt sprach von einer „Dead-Man-Walking-Woche der Ampel“. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) forderte Klarheit und betonte, dass die Bevölkerung fassungslos sei über die Situation in der Bundesregierung. Er schloss eine Minderheitsregierung aus und machte deutlich, dass die Union nicht in den Rest einer solchen Regierung eintreten werde.

Am Mittwoch sollen die Krisengespräche zwischen Bundeskanzler, Vizekanzler und Finanzminister sowie Staatssekretären fortgesetzt werden, vor dem Koalitionsausschuss am frühen Abend. Die Entscheidung, ob die Koalition zusammenbleibt oder Neuwahlen anstehen, steht noch aus.