Es gibt nicht nur eine „schwarze“ Brandmauer – jene, welche die CDU zur AfD aufgestellt hat. Sondern auch eine Brandmauer in Grün. Sie steht einer „Asylwende“ im Weg. Und das hat Folgen.
Es gibt die Brandmauer, die man bislang nur in Schwarz kennt, auch in Grün. Und die grüne Brandmauer steht: Es ist die „Asylwende“, die die Union von ihnen fordert – und die wollen die Grünen nicht.
Für die Migrations-Brandmauer sind die Grünen bereit, weit zu gehen – und auch viel zu opfern, sogar: die Macht in Berlin. Denn das haben Friedrich Merz, Markus Söder, Carsten Linnemann und Thorsten Frei, also die aktuell entscheidenden Repräsentanten für die Ausrichtung der Bundes-Union, klargemacht:
Solange die Grünen einer Begrenzung und Kontrolle der Migration nicht zustimmen, sind sie für die Union kein Koalitionspartner. Das ist keine taktische, sondern eine strategische Weichenstellung.
Grüne müssen Brandmauer schleifen, wenn sie weiter mitregieren wollen
Die unionsinterne Festlegung auf eine Asylwende ist ein entscheidender Faktor für die Kanzlerkandidatur von Merz. Der CDU-Chef hat seine Partei in der Einwanderungsfrage komplett auf CSU-Linie gebracht, was nicht nur seiner persönlichen Überzeugung entspricht sondern:
Die wichtigste Bedingung dafür ist, dass sich „2021 nicht wiederholt“ – wie Söder sagt. Kein Streit mehr wie damals zwischen Söder und dem CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet, das gilt inzwischen bis hinein in den letzten Ortsverband von CDU und CSU als entscheidende Bedingung dafür, für die Christdemokraten das Kanzleramt zurückzuerobern können.
Die Kurzformel lautet: Ohne Asylwende der CDU, die Abkehr von der Migrationspolitik Angela Merkels, kein Frieden in der Union. Ohne Frieden in der Union: kein Kanzleramt für Friedrich Merz. Für die Grünen heißt das:
Wollen sie weiter in Berlin mitregieren, müssen sie die grüne Brandmauer schleifen. Das aber ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Sie verteidigen ihr Migrations-Bollwerk mit allem, was ihnen einfällt. Auch, wenn vieles davon aktuell einer Überprüfung nicht standhält.
Baerbock warnt vor deutschem „Alleingang“
Parteichef Omid Nouripour etwa sagt, knapp 4000 Kilometer deutsche Grenze ließen sich nicht schützen. Das war auch eines der Hauptargumente von Angela Merkel, 2015 die deutsche Grenze nicht faktisch dichtzumachen. Schon damals hat der Beamte, der genau dafür zuständig war, widersprochen, der Chef der Bundespolizei, Dieter Romann. Das sei durchaus möglich, und seine Bundespolizei könne das auch, wie seine Polizei bei einem abgeschotteten G7-Gipfel gezeigt habe. Damals rief Romann noch nicht einmal nach mehr Personal für diesen Job.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnt vor einem deutschen „Alleingang“. Was ein Alleingang ist und was nicht, ist freilich Interpretationssache. Harsche Grenzkontrollen machen die Franzosen an der Grenze zu Italien schon lange, ohne dass ihnen jemand einen „Alleingang“ vorgeworfen hätte. So handhaben es auch die Österreicher – und loben sich für die drastisch zurückgegangenen Migrantenzahlen.
Der deutsche Alleingang besteht – aus konservativer Sicht – dagegen in einer in Europa einmaligen Addition von Pull-Faktoren, von denen es links der Mitte heißt, die gebe es gar nicht. Der Beweis dieser Pull-Faktoren findet allerdings mit den Füßen statt – kein Land in Europa nimmt so viele Migranten in einen Flüchtlingsstatus auf wie Deutschland.
Merz will Migranten abweisen, die keinen Anspruch haben, nach Deutschland zu kommen
Die Grünen sagen, konsequente Zurückweisungen an der deutschen Grenze seien rechtlich nicht möglich. Über dieses Argument hat die Ampel den jüngsten Migrationsgipfel platzen lassen. Hinterher sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im Bundestag, das sei doch möglich, und die Liberalen seien bereit, die Vorstellungen der Union „Eins zu Eins“ umzusetzen. Es war ein hartes Dementi der regierungsoffiziellen Linie.
Dabei hätte Deutschland gute Gründe, die Grenzen des auch juristisch Möglichen auszutesten, längst gilt die Situation in den Städten und mindestens an den Schulen als kaum noch beherrschbar, von den exorbitanten Kosten in Milliardenhöhe ganz abgesehen.
Wobei: Der Kanzlerkandidat der Union will nicht die Grenze dichtmachen, sondern Migranten abweisen, die keinen Anspruch haben, nach Deutschland zu kommen, weil sie in einem Drittland schon sicher waren.
So steht es auch in den europäischen Dublin-Vereinbarungen, ebenso wie in Artikel 16a des deutschen Grundgesetzes. Deutschem und europäischem Recht nicht zum Durchbruch verhelfen zu wollen, ist kaum eine juristische, sondern vor allem eine politische Entscheidung.
Merz hat europäischen „Domino-Effekt“ im Sinn
Dahinter verbergen sich, sagt der in Berlin lehrende Migrationsexperte Ruud Koopmans, in Wahrheit parteistrategische Überlegungen: „Weil man es nicht möchte, erklärt man es von vorneherein zur Unmöglichkeit.“ Koopmans macht in der „Berliner Zeitung“ einen Vorschlag, wie man Deutschlands europäische Partner dazu bringen könnte, konsequenten Grenzkontrollen zuzustimmen:
Nach dem Vorbild des – von Angela Merkel 2016 geschlossenen – Türkei-Deals könnte Deutschland auch mit den europäischen Nachbarn verfahren, Polen zum Beispiel. Dann würde Deutschland Flüchtlinge nach Polen zurückweisen und dafür Menschen aufnehmen, die in Polen bereits als Asylbewerber anerkannt wurden.
Diesen Weg gibt auch das unter der Führung von Merz beschlossene neue CDU-Programm her. Die Folge laut Koopmans: „Wenn Deutschland das Signal setzt, dass es konsequent zurückweist und nur anerkannte Asylbewerber aus seinen Nachbarländern aufnimmt, werden viel weniger Menschen den anstrengenden Weg auf sich nehmen.“
Auch, weil sich das viele Geld für die Schleuser nicht mehr lohnen würde. Ein wichtiger Pull-Effekt würde einfach entfallen. Das ist der europäische „Domino-Effekt“, den Friedrich Merz im Sinn hat.
Von Grünen mitgetragene Politik weitgehend erfolglos
Die von den Grünen mitgetragene Politik, Abkommen mit Herkunftsländern von Migranten zu schließen, um abgelehnte Asylbewerber zurückzunehmen, war bislang weitgehend erfolglos.
Solche Verträge etwa mit Ländern wie Kenia, Kasachstan oder Usbekistan zu schließen, wie dies der Bundeskanzler als persönlicher Migrationsreisender gerade gemacht hat, bringen im Ergebnis wenig bis nichts.
Und ob der Deal, Nicht-Flüchtlinge aus Deutschland zurückzunehmen, um Facharbeiter nach Deutschland aufzunehmen, funktionieren wird, steht in den Sternen.
Aus diesen Ländern sind – insgesamt – weit weniger als ein Prozent der Migranten gekommen. Und die „Facharbeiter“, die Deutschland im Gegenzug aus diesen mehrheitlich muslimischen Ländern aufnehmen soll, sind auch erst einmal noch keine, sie müssten zunächst in Deutschland eine Ausbildung machen.
Über grüne Brandmauer wollen Grüne bislang nicht einmal diskutieren
Kundig macht Koopmans darauf aufmerksam, dass die Ampelregierung von Scholz effektive Rückführung auf europäischer Ebene auch noch verhindert hat.
Sie habe die Aufhebung des „Verbindungskriteriums“ gestoppt, wonach Menschen nur in Drittstaaten zurückgeschickt werden könnten, „zu denen sie einen Bezug haben“. Das verringert die Ausweisungsmöglichkeiten noch einmal.
Faktisch halten vor allem die Grünen an der Praxis der Masseneinwanderung über den Weg des Asylrechts fest. Sie nennen das „Einwanderungsland“ – obwohl klassische Einwanderungsländer genau diesen Weg nicht gehen. Einwanderungsländer suchen sich ihre Einwanderer aus – nach Kriterien, die ihren sozialen, kulturellen und ökonomischen Interessen entsprechen.
Zuletzt hat der Bundeskanzler selbst mehrmals betont, Deutschland müsse sich aussuchen können, wen es ins Land lasse. Vor allem dank der Grünen ist Deutschland davon jedoch meilenweit entfernt. Nach dem Willen der Grünen würde es dabeibleiben, dass zwischen 300.000 und 500.000 Migranten Jahr für Jahr nach Deutschland kommen. Nicht Facharbeiter, sondern Menschen mit Flüchtlingsstatus.
Das ist die Grüne Brandmauer. Und über die wollen Grüne bislang nicht einmal diskutieren.