In Georgien, einer südkaukasischen Republik, die an Russland grenzt, herrscht Uneinigkeit zwischen der pro-westlichen Opposition und der nationalkonservativen Regierungspartei über das vorläufige Ergebnis der Parlamentswahl. Sowohl die Partei des reichsten und mächtigsten Mannes des Landes, Bidsina Iwanischwili, als auch die proeuropäische Opposition beanspruchen den Sieg für sich. Nichtregierungsorganisationen haben Hunderte Wahlrechtsverstöße gemeldet, und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wird das Urteil ihrer rund 500 Wahlbeobachter in Kürze bekannt geben.
Die Wahlkommission in der Hauptstadt Tiflis hat der Regierungspartei nach Auszählung von mehr als 70 Prozent der Wahlzettel die absolute Mehrheit von etwa 53 Prozent zugesprochen. Vier proeuropäische Oppositionsblöcke, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel überschritten haben, kamen zusammen auf gut 38 Prozent der Stimmen. Bidsina Iwanischwili feierte bereits kurz nach Schließung der Wahllokale mit Feuerwerk in Tiflis den Sieg, obwohl noch keine aussagekräftigen Ergebnisse vorlagen.
Die pro-europäische Opposition hat die offiziellen Teilergebnisse der Parlamentswahl als „gefälscht“ abgelehnt. Die Chefin der größten Oppositionspartei UNM, Tina Bokuschawa, erklärte, dass sie die gefälschten Ergebnisse nicht anerkennen. Nichtregierungsorganisationen und Wahlrechtsexperten hatten bereits im Vorfeld Bedenken geäußert und Missbrauch staatlicher Ressourcen durch die Regierungspartei beklagt.
Die proeuropäische Opposition war in mehreren Bündnissen angetreten, war jedoch uneins. Das Wahlbündnis Einheit erhielt etwa 10 Prozent der Stimmen, während das Wahlbündnis Koalition für den Wandel mit ungefähr 11 Prozent das stärkste Oppositionsbündnis war. Die oppositionsnahe proeuropäische Präsidentin Salome Surabischwli verkündete, dass die EU-freundlichen Parteien 52 Prozent der Stimmen erhalten hätten. Viele sehen den Erfolg der Regierungspartei Georgischer Traum als Abkehr von der EU hin zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit Russland.
Georgien ist ein EU-Beitrittskandidat, jedoch ist der Prozess aufgrund umstrittener Gesetze ins Stocken geraten. Die Wahl wurde als Schicksalswahl angesehen, da das Land am Scheideweg steht und der Einfluss sowohl Russlands als auch des Westens stark ist. Die Opposition in dem stark polarisierten Land ist zerstritten, vereint jedoch das Streben nach Europa. Die Parteien konnten sich jedoch nicht vereinen, um gegen den Georgischen Traum anzutreten.
Der Georgische Traum hatte im Wahlkampf Ängste vor einem Krieg mit Russland geschürt und den Wählern Frieden und Stabilität versprochen. Der Regierungschef betonte, dass die Wahl ein Referendum zwischen Krieg und Frieden sei. Bidsina Iwanischwili warnte vor einem möglichen Krieg, den ausländische Mächte angeblich führen wollten. Er machte die Partei des Ex-Präsidenten Saakaschwili für den Krieg mit Russland im Jahr 2008 verantwortlich.
Die Zukunft Georgiens bleibt ungewiss, da die politische Landschaft gespalten ist und die Richtung des Landes zwischen einer Annäherung an die EU und verstärkten Beziehungen zu Russland unsicher ist. Die Ergebnisse der Wahl werden die weitere Entwicklung des Landes maßgeblich beeinflussen.