Über die Wahrheit und Lügen in Beziehungen: Experten enthüllen die häufigsten Unwahrheiten
Menschen lügen im Durchschnitt bis zu 200 Mal am Tag – doch wie oft schwindeln wir in Beziehungen und über was? Drei Experten geben Einblick.
Lügen begleiten uns im Alltag: Kinder lügen, um Strafe zu vermeiden, Eltern verschönern die Realität, um ihre Kinder zu schützen, Politiker verbergen Unsicherheiten, und Prominente glorifizieren sich selbst. Selbst in bestimmten Berufsfeldern wie Spionage oder Polizeiarbeit wird die Wahrheit nicht immer vollständig enthüllt. Lehrer und Erzieher sagen ihren Schützlingen auch nicht immer die ganze Wahrheit.
In der Liebe hingegen suchen wir nach Ehrlichkeit, da sie als Symbol für Treue und die Basis jeder Beziehung gilt. Eine Studie der Universität Tübingen zeigt jedoch, dass auch die Liebe nicht vor Lügen verschont bleibt – und nicht nur vor kleinen alltäglichen Lügen. Laut der Studie hat bereits die Hälfte der Menschen eine geheime Affäre gehabt, ohne dass der Partner davon wusste.
Aber woran erkennt man, ob der eigene Partner lügt? Und worüber wird in Beziehungen am häufigsten gelogen? Drei Experten geben Auskunft. Friedrich Nietzsche sagte einst: „Menschen lügen unerträglich oft.“ Allerdings basierte seine Aussage auf persönlichen Überlegungen und Beobachtungen, die nicht immer genau sind. In einer Studie der amerikanischen Psychologin Bella DePaulo, in der 147 Probanden ihre alltäglichen Begegnungen und kleinen Lügen in Tagebüchern festhielten, wurde herausgefunden, dass Menschen im Durchschnitt nur etwa zweimal am Tag lügen.
Das Wiener Therapeutenpaar Sabine und Roland Bösel, bekannt durch ihren Online-Kurs „Liebesdoppel“ für erfolgreiche Beziehungsführung, weist darauf hin, dass viele Lügen unbewusst geschehen – und daher möglicherweise in den Tagebüchern nicht erfasst wurden. Unbewusstes Lügen beginnt oft, wo Menschen unangenehme Wahrheiten verdrängen oder sich selbst etwas vormachen. Bewusste Lügen entstehen hingegen meist in Situationen, in denen sich Menschen unwohl oder unter Druck fühlen.
Die Wahrheit liegt laut den Experten oft in der Mitte: Manche Menschen lügen häufiger, andere seltener oder gar nicht – und die Grenze zwischen bewusster Täuschung und unbewusster Selbsttäuschung ist oft fließend.
**Arten von Lügen in Beziehungen**
Lügen sind auch in Beziehungen weit verbreitet. Laut einer Studie der Partnervermittlungsplattform „ElitePartner“ verheimlichen sechs von zehn Partnern ihrem Partner etwas. Die meisten dieser Unwahrheiten sind jedoch Notlügen. Psychotherapeut Wolfgang Krüger beschreibt solche Lügen als kleine, harmlose Unwahrheiten, die dazu dienen, Konflikte zu vermeiden. Ein klassisches Beispiel ist, wenn der Partner fragt: „Liebst du mich?“, und man schnell mit „Ja“ antwortet, obwohl man unsicher ist. Dies geschieht häufig, um unangenehme Diskussionen zu vermeiden.
Problematisch wird es, wenn Lügen bewusst und manipulativ eingesetzt werden, um Kontrolle oder Macht in der Beziehung zu erlangen. Ein Beispiel dafür ist, wenn ein Partner bewusst behauptet, beim Arzt gewesen zu sein, obwohl das nicht stimmt. Solche Lügen belasten die Beziehung erheblich, da das Vertrauen als tragende Säule wegbricht.
**Häufige Lügen in Beziehungen**
Die Gründe, warum in Beziehungen nicht immer die volle Wahrheit gesagt wird, sind vielfältig. Eine besonders häufige Lüge in Beziehungen ist das Verschweigen emotionaler oder körperlicher Untreue. Fast die Hälfte der Menschen hat laut Psychotherapeut Wolfgang Krüger bereits ihren Partner belogen, wenn sie sich anderweitig verliebt haben oder ein erotisches Abenteuer hatten.
Das Therapeutenpaar Sabine und Roland Bösel bestätigt aus ihrer Praxis, dass gerade im Zusammenhang mit Affären oft gelogen wird. Entweder wird gelogen, weil die Affäre zu bedeutsam wird, oder man redet sich ein, sie sei nicht wirklich wichtig. Diese Selbsttäuschung dient oft dazu, das schlechte Gewissen zu beruhigen, das das Verheimlichen einer Affäre mit sich bringt.
**Entlarven von Lügen**
Körpersprache wie Blinzeln, schneller Herzschlag oder ein unruhiger Blick werden oft als Hinweise auf Lügen interpretiert. Die Psychotherapeutin Sabine Bösel warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen. Die Interpretation von Körpersprache wird stark von der eigenen Geschichte beeinflusst. Das Bauchgefühl ist ebenfalls nicht immer verlässlich, da es von persönlichen Erfahrungen, Gedanken und Fantasien beeinflusst wird. Es gibt bisher keine stichhaltigen Belege dafür, dass Menschen bei Lügen oder Wahrheiten unterschiedliche Verhaltensmuster zeigen.
Entlarven von Lügen wird einfacher, wenn der Lügner ambivalent ist. Menschen, die innerlich unsicher sind, werden leichter ertappt, während bewusst Lügende ihre Lügen oft gut planen. Widersprüche zwischen dem Gesagten und den Tatsachen werden früher oder später sichtbar. Das Gespräch zu suchen ist besser als sich auf Vermutungen zu verlassen, da Beziehungsarbeit auf Vertrauensbildung beruht.
In Beziehungen ist Ehrlichkeit von großer Bedeutung, doch Lügen sind oft ein fester Bestandteil des Miteinanders. Die Kunst liegt darin, die richtige Balance zwischen Ehrlichkeit und Schutz zu finden, um eine gesunde und vertrauensvolle Beziehung aufzubauen.